©Ingeborg Øien Thorsland
5. April 2022
Interview

„Mein Beruf setzt den Frieden voraus.“

Farben, Formen, Bewegung: Ariane Spanier is bekannt für ihren verspielten Stil. Die Grafikdesignerin entwirft so kunstvolle Schriften für Galerien, Kulturschaffende und Künstler*innen. Ihr Studio Ariane Spanier Design ist auf Print spezialisiert – Bücher, Kataloge, Poster – ist aber auch im Digitalen zuhause. Ariane ist zudem Creative Director des Kunstmagazins Fukt. Für das nächste „Who’s That Type“-Event von ADC und Monotype entwarf Ariane die Einladungen und wird selbst auch im ADC Studio sein und sprechen. Wir haben ihr zuvor ein paar Fragen gestellt.

Liebe Ariane, die physischen Einladungskarten zu „Who’s That Type?“ haben schnell Kultstatus erreicht. Die Kombination aus Typografie und Handwerkskunst scheint gut anzukommen. Was hast du dir einfallen lassen?

Ich habe mich bei der Karte auf die Frage nach dem „Who“ konzentriert: „Wer“ kommt, „wer“ spricht? Das ganze erhält eine haptische, interaktive Komponente, indem zwei drehbare Pappscheiben angebracht sind, die bewegt werden können. Damit lässt sich das per Schablone aufgesprühte Wort „Who?“ verschieben, wird dekonstruiert und findet wieder zusammen. Die Frage nach dem „Who?“ wird zur abstrakten Komposition je nach Stellung der Scheiben. Aktuell finde ich die Frage nach dem „Who?“ sehr relevant. In Zeiten von Fake News ist es für uns oft schwer nachzuvollziehen, wer hinter etwas steckt, wer etwas beabsichtigt, wer etwas gesagt oder getan hat.

Mit Fukt warst du unter anderem auch beim ADC Wettbewerb erfolgreich. Welche Rolle spielt Schrift in der Gestaltung von Print- und Onlinezeitschriften?

Natürlich eine große. Alles was gesagt wird muss gestaltet werden. Das Fukt Magazin für Zeichnung ist ein sehr visuelles Magazin, bei dem es vorrangig um Bilder geht, um Kunst, um Rhythmus, um Bildfolgen. Aber auf den Covern spielt Typografie eine große Rolle. Bisher habe ich die Cover des Magazins als typografische Spielwiese genutzt. Diesmal haben wir zum Beispiel eines, was zwar auch vollgeschrieben ist, aber zentral ein leeres Gesicht zeigt, in das die Leser zeichnen können, denn unser aktuelles Thema ist „Faces“. 

„Jeder Austausch mit Menschen, die für etwas brennen, ist inspirierend.“

Zeitschriften bieten klassischerweise mehr Freiraum für experimentellere Typografie, das liegt am Medium, sie sind kurzlebiger, man kann sich mehr trauen, laut und leise können ständig abwechseln, da geht es auch um Zeitgeist. Ich finde, dass Printmedien immer noch die interessantere Gestaltung haben. Meine nicht belegbare Meinung ist, dass Online-Zeitschriften mit wenigen Ausnahmen häufiger konventionell und auf gleich aussehenden templates aufbauen. Da geht es neben den Inhalten sehr um Funktion und Navigation.

Aber Schrift ist generell so faszinierend (nicht nur im Magazinbereich), da sie ein Behälter ist, sie ist ein System, ein Code, Übersetzer für Gedanken, Überbringer von Nachrichten und sie ist auch Zeichnung und Bild, je nachdem was man mit ihr macht. 

Bei „Who’s That Type“ konfrontieren wir Entscheider*innen aus Medien und Kommunikation mit inspirierenden Menschen und ihren Geschichten. Was bedeutet dir der Austausch mit Kreativen anderer Disziplinen?

Jeder Austausch mit Menschen, die für etwas brennen, ist inspirierend. Gerade, wenn sich jemand gut in einem Thema auskennt, in einem Bereich sehr viel Erfahrung hat, wird es umso bereichernder. Im Austausch mit Gleichgesinnten holt man sich vielleicht Tipps für konkrete Probleme, aber grundsätzlich kocht man die gleiche Suppe. Wenn man mit Leuten aus anderen Bereichen spricht, ist es häufig das Wissen, die „anderen Probleme“, aber auch die Energie oder die Leidenschaft mit der Leute sich einsetzen, die dann „an sich“ inspirierend sein kann, auch wenn ich zum Beispiel mit einem Thema gar nicht so viel anfangen kann. Am Ende interessiert uns aber doch alle „Wie machst du’s? Was interessiert dich, warum tust du was du tust?“

©Ariane Spanier
©Ariane Spanier
©Ariane Spanier
©Ariane Spanier
©Ariane Spanier

Der Ausnahmezustand der Welt scheint der neue Normalzustand zu sein. Wie drückt sich das in deiner Arbeit aus?

Der Zustand der Welt lenkt mich eher vom Arbeiten ab, um mich dann wieder durch Arbeiten von der Welt abzulenken. Ich beschäftige mich natürlich viel damit, aber die Situation spiegelt sich nicht unbedingt in meinen Arbeiten. Während der Pandemie habe ich die absurdesten Corona Nachrichten headlines gesammelt, um sie dann mit Buntstiften zu zeichnen, der langsame Akt des Zeichnens und Ausmalens spielte eine wichtige Rolle, die immer gleich scheinenden Tage zu verbringen. Ich habe in der Zeit ein Plakat für eine Solidaritäts-Aktion des Berliner Ensembles gestaltet, bei der Spenden gesammelt wurde für die freischaffenden Theatermacher. Aber jetzt? Wenn ich ein Buch über einen Landschaftsgestalter designe, an einem Erscheinungsbild für ein Festival arbeite, Schrift für einen Werbespot animiere oder eine neue Ausgabe unseres Magazin für Zeichnung layoute, ist das ziemlich losgelöst von dem, was gerade passiert in der Welt – und das ist glaube ich ganz gut so.

Aber ich sehe wie fragil alles ist, auch das Konzept meines Berufes, denn dieser setzt den Frieden voraus. Braucht man Designer im Krieg? Das ist eine Frage nach dem Extrem, aber Kriege sind genau das und plötzlich ist hier einer in Rufweite. Im Moment trifft Ratlosigkeit es wohl am besten, wie immer wenn Dinge passieren, die man nicht richtig verstehen oder kontrollieren kann. Das muss ich im Moment ein Stück weit akzeptieren.

„Inspiration ist ein Zustand der Offenheit gegenüber Dingen.“

Was inspiriert dich im Alltag?

Mich inspirieren die Themen in meinen Arbeiten, als Grafikdesignerin bin ich ständig mit Neuem konfrontiert. Ausstellungen oder Theater, und Reisen sind immer inspirierend. Das Neue, Fremde, Ungewohnte. „Inspiration“ ist eher ein Zustand der Offenheit gegenüber Dingen, in den man am besten beim Reisen gerät. Im Alltag ist es häufig die Arbeit selbst, der Prozess und die Themen, und damit auch das Neue.

Gibt es ein Projekt, für das aktuell dein Herz brennt?

Im Moment arbeite ich an einem Projekt für die Klassikstiftung Weimar zu deren Themenjahr der Sprache 2022, bei der Zitate der klassischen Autoren Goethe, Schiller, Herder, Wieland auf weißen Skulpturen im Weimarer Stadtraum erscheinen werden oder ganze Räume mit Goethe-Gedichten von oben bis unten vollgeschrieben sind. Sprache – und in meinem Fall Schrift – ist hier zentrales Thema und findet im Innen und Außen, im Räumlichen wie im Zweidimensionalen und Bewegten statt. Das ist natürlich eine große Freude. Das Projekt ist insofern besonders für mich, da ich in Weimar aufgewachsen bin, es aber das erste Mal ist, dass ich etwas für die Stadt tue. Ich verwende für das Projekt die überarbeitete Monotype Version der klassizistischen Walbaum Schriftfamilie. Justus Erich Walbaum hat als Schriftgestalter Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts in Weimar gelebt, und es lag auf der Hand diese Schrift zu verwenden. Natürlich bleibt sie nicht verschont und wird „brutal“ behandelt, so wie Sprache eben auch sein kann.

Ariane Spanier ist am 8. April beim exklusiven Executive Event „Who’s That Type“ von ADC und Monotype dabei. Mehr Infos zur Reihe hier.

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