© Mark Gmehling
22. Dezember 2018

ADC Kopf: Mark Gmehling

In den 80er Jahren begann Mark als Graffiti-Sprayer im Ruhrpott. Heute ist er ein international gefeierter Designer, der für seine einmaligen, wie in Lack gegossenen 3D Character bekannt ist. Seine Arbeiten schmücken nicht nur weltweite Kampagnen und Ausstellungen, sondern auch Gebäude im öffentlichen Raum. Er ist ADC Mitglied, hat viele Jahre in Dortmund Gestaltung und Illustration doziert und ist ein gefragter Speaker. Zuletzt war er auf der Pictoplasma und der ADC Design Experience. In 2019 wird Mark auf dem ADC Festival einen Vortrag zu seiner Arbeit halten.

Deine Illustrationen sind sehr markant. Wie hast du deinen Stil gefunden?

Ich habe Ende der 80er mit Graffiti angefangen. Einen eigenen Style zu entwickeln war Teil des Games – “Biting” ein absolutes NO-GO. Interesse an Typographie und figürlicher Darstellung gepaart mit der Prämisse einen unverwechselbaren Stil zu finden führten zu diesem Stil, wobei ich hoffe nicht nur Stil, sondern auch Inhalt zu transportieren.

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Du arbeitest seit über 14 Jahren selbstständig, was ist für dich der perfekte Auftrag?

Das ist sehr verschieden, manchmal werde ich gebucht, um eine sehr klar definierte Visualisierung nach einem Mood zu liefern: schnell erledigt – schnell bezahlt – perfekt. Die wirklich interessanten Jobs sind aber die, in denen ich als Künstler und Art Director gebucht werde.

“Uns gefällt dein Stil und Humor, wie würdest du unsere Botschaft illustriert und filmisch inszenieren”

Das ist natürlich eine komplexere Aufgabe, ist am Ende aber weitaus befriedigender, weil ich das liefern darf, was ich aus Leidenschaft mache. Es ist für jeden Illustrator das ideale Szenario für seinen Stil gebucht zu werden. Ich mache extrem gerne Projekte, die auch Awards gewinnen sollen, denn da ist handwerklich immer das Maximum gefordert und es macht sich am Ende immer gut im Portfolio. Maximale künstlerische Freiheit ist natürlich das Beste: Der Kunde bucht eine Art-Edition von dir, schenkt volles Vertrauen und ist bereit mit den Konsequenzen zu leben.

Dynaudio – Briefing: „Gestalte etwas in der Form unseres Produktes“

 

Dein Motto ist ‚Fuck the norm‘. Was bedeutet das?

Zunächst ist das eine laute, polarisierende Message – erste Voraussetzung da draußen Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Fuck the Norm bedeutet inhaltlich für mich persönlich
als Gestalter:
– ständig den Status-Quo zu hinterfragen, um so freshes zu produzieren
– es geht um Evolution, Regeln kennen, verstehen und dann brechen
– außerhalb eingefahrener Muster denken
– möglichst nichts schon Dagewesenes wiederholen

als Mensch:
– es geht um Streitkultur, die die Basis jeder sozialen Gesellschaft ist
– Althergebrachtes in Frage stellen und kompromisslos updaten

Nach 10 Jahren hab ich die Message erweitert und flankiere sie gerne mit: “Unfuck the world!”

“Fuck the norm to unfuck the world.”

Das kommuniziert die konstruktive Absicht klarer und vermeidet Missinterpretationen.
Es ist seit 16 Jahren das Mantra, mit dem ich mich selbst dran erinnere diesem Ansatz (als Gestalter und Mensch) treu zu bleiben.

Du malst deine Illustrationen auch an Wände. Was bevorzugst du, das digitale oder das analoge Arbeiten?

Digitales Arbeiten ist geprägt von effizientem Umsetzen eines Konzepts. Computer und Software helfen mir, komplexe Aufgaben in kürzester Zeit zu meistern.
Das analoge Arbeiten entspannt mich. Im Wind auf einer Hebebühne eine Wand vorzustreichen und dann zu bemalen ist meine Meditation. Da bin ich im Flugmodus, körperlich anstrengend, aber mental reine Wellness. Ich genieße die Entschleunigung.

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Deine Arbeiten findet man auf Anzeigen, aber auch in Kunstgalerien. Wie würdest du dich bezeichnen? Bist du Künstler oder Designer?

Meine Wurzeln sind die Straße und Graffiti, aus denen mein eigenes Verständnis von Kunst gewachsen ist. Ich bezeichne mich selbst aber nicht als Streetartist und bin auch lange kein Graffitikünstler mehr. Ich sehe mich als Gestalter, im Kunstkontext spreche ich Menschen anders an als im Design- oder kommerziellen/funktionalen Kontext. Das sind verschiedene Spielplätze. Beide mit ihrem eigenen Reiz.

Draußen auf der Straße sind alle unterwegs von A nach B. Da muss man sowohl im subversiven als auch kommerziellen Kontext knackig und direkt auf den Punkt kommen und laut/ in-your-face sein, um jemanden überhaupt für einen Augenblick aus seinem täglichen Trott zu holen, um eine Message zu platzieren. Das ist funktionale Gestaltung, also eher Design.

In die Galerie gehen Menschen mit Zeit und Lust sich auf Ungewohntes einzulassen, darüber nachzudenken, zu deuten, zu interpretieren. Hier kann ich in der Art zu gestalten “jazziger“ sein, wenn ich mich an den großen Themen auslasse, die ich für relevant halte: Mensch, Gesellschaft, Trivialität und Absurdität menschlichen Daseins in unserer Zeit.

COLAB GALLERY EXHIBITION 2015
COLAB GALLERY EXHIBITION 2015
COLAB GALLERY EXHIBITION 2015
FAXENORM - freie Illustration
GLOBAL PLAYERS - eine der gesellschaftskritischen Arbeiten
POLONAISE - zeigt die Absurdität menschlichen Daseins

Was definiert Streetart?

Streetart ist Kommunikation in reinster Form. Kommunikation um der Kommunikation willen, allerdings mit subversivem Inhalt – ein Gegenmodell zum konsumorientierten Hintergrund der Kommunikationsbranche. Die Mechanismen sind allerdings die gleichen: Aufmerksamkeit gewinnen und im Gedächtnis bleiben, über Penetration und Corporate Design, am Besten gepaart mit smarten Inhalten.
Der Anti-Establishment und Anti-Konsum Tenor von Streetart hat natürlich ein sehr integres Image und manche Marke versucht sich davon eine Scheibe in die eigene Identität zu packen.

Streetart findet nicht in Galerien statt.

Streetart bewegt sich da Draußen auf dem Schlachtfeld, um den Kampf um Aufmerksamkeit.
Streetart ist wie Werbung, laut, verständlich und direkt. Ständig neue Medien und Kanäle zu „hijacken“ ist eine Grunddisziplin, es ist alles erlaubt, es gibt keine Dogmen, keine Zensur. Sie erfindet sich ständig neu, sie ist anti-schon-gesehen, sie ist roh, sie ist Fuck the norm. Das reizt mich daran und befruchtet sicher auch die Kommunikationsbranche.
Wenn wir sagen „Werbung ist wie Taubenscheiße Teil des öffentlichen Raums“, dann sind Streetart und Graffiti das auch. Man kann sich auch hier über ästhetische Aspekte streiten und sich darüber aufregen, aber das lohnt nicht. You can’t stop it (its unruly) und das ist gut so.
Alles andere wäre George Orwells 1984. Die blinde Dynamik des Markts darf/sollte nicht der einzige Absender von Ideologie sein da draußen – vor allem nicht in unseren turbulenten Zeiten.

 

Wo zieht sich die Grenze zur Kunst?

Eine Kunstdefinition sagt “Kunst ist schöpferisches Gestalten ohne funktionalen Hintergrund”. Allerdings hat für mich Streetart den funktionalen Hintergrund da draußen eine Alternative zur konsumorientierten Reizüberflutung zu repräsentieren. Auch Graffiti hat für mich den funktionalen Hintergrund in Frage zu stellen, inwieweit öffentlicher Raum im Besitz von Gesellschaft oder Konzernen ist. Beides halte ich für wichtig.
Öffentlicher Raum sollte nicht nur von der Dynamik der Märkte geprägt sein.

Streetart ist immer illegal.

Der Begriff Streetart wird heutzutage inflationär für alles, was auf der Straße passiert, benutzt. Das ist kunstwissenschaftlich falsch. Streetart ist immer illegale Intervention. Die großen Murals da draußen sind keine STREETART sondern sog. “urban Art”: legitimierte Dekoration, der Zensur von Auftraggebern unterworfen.

 

Wie siehst du den Einfluss von Streetart auf kommerzielle Kommunikation?

Unternehmen spielen gerne mit der Ästhetik und Subversivität von Streetart.
Da werden hier und da mal ein paar Drips ans Logo gemacht oder vor einem Graffiti geshootet, eine Art-Edition rausgebracht oder Werbung handgemalt, um ein bisschen Underground-Flair in die Marke zu bringen. Imagetransfer halt.

Von etwas leben können, das so dicht wie möglich an der eigenen Leidenschaft ist.

Darüber hinaus haben heutzutage viele Kreative Graffiti- oder Streetart-Background. Die sind wahrscheinlich ähnlich wie ich reingeraten: von etwas leben können, das so dicht wie möglich an der eigenen Leidenschaft ist.

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Wie ist deine Meinung zu der jüngsten Kooperation zwischen Kaws und Dior?

Ich persönlich mag die Arbeiten von Kaws sehr, die DIOR Skulptur allerdings sieht für mich nach Muppet-Show aus und stellt für mich überhaupt keine Verbindung zu dem künstlerischen Oeuvre seines Werks dar.
Dior sampelt im Underground. Kaws ist längst im Kunstmarkt angekommen und diese Kollaboration hat für mich im Resultat eher den Geruch von Adbusting, damit bleibt Kaws seiner Linie treu und der Kunde ist gleichzeitig happy: WIN-WIN.

Illustration finanziert mein Leben und damit auch meinen Guerillakampf. Ich bin der Meinung, ich darf als Künstler auch mit kommerzieller Illustration Geld verdienen. Warum? Weil ichs kann. Sicher gibt es Leute, die das widersprüchlich oder nicht „real” finden… aber am Ende versetzt mich meine finanzielle Unabhängigkeit in die Lage künstlerisch nicht zwangsläufig auf “Abverkauf” angewiesen zu sein.

 

Für Panasonic hast du eine besonders schöne Arbeit umgesetzt. Kannst du etwas zum Entstehungsprozess erzählen?

Ich hatte 2010 eine Ausstellung in London, auf die die Regisseure Smith and Foulkes aufmerksam geworden sind. Die beiden haben mich gefragt ob ich das Characterdesign für zwei Fernsehspots machen würde. Am Ende haben die Spots sogar einen Effi gewonnen.

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Du hast auch viele Jahre als Dozent gearbeitet. Was ist der beste Ratschlag, den du Studenten geben kannst?

“Irgendwas mit Medien machen”, “kreativ arbeiten” klingt erstmal ganz spannend. Das sind aber sehr naive Vorstellungen von dem Beruf.

Zu meiner Studienzeit war Lürzers Archiv für mich eine Qualitätsmarke. Irgendwann habe ich dann aber realisierst, dass die sogenannte Schaltung der Kreativ-Kampagnen oft einmalig in irgendeinem Hinterhof passiert, um die formalen Einreichungs-Kriterien zu erfüllen. Das hat den Respekt relativiert und den Mythos vom hippen Agentur-Alltag entzaubert. Es ist zu weiten Teilen ein wirklich frustrierender und harter Job und ich habe großen Respekt vor den Kollegen, die es schaffen ihre Kunden zu überzeugen mutige Entscheidungen zu treffen. Dafür sind Skills gefordert, die übers Kreativsein hinausgehen.

 

1. Für Kommunikation brennen

Das sollte man sich schon vor Beginn des Studiums beantworten.

 

2. Früh orientieren

Während des Studiums sollten sie ausprobieren, ob sie für das daily Agentur-Business gemacht sind, oder ob es vielleicht eher ein Designbüro, Freelance-Illustration oder doch freie Kunst ist, die ihrer Kreativ-Arbeiten-Mentalität entspricht. Darüber hinaus gibt sehr viele andere Nischen, die man für sich entdecken kann. Leider ist dieser Überblick oft nicht in den Lehrplänen der Unis berücksichtigt. Da hilft dann nur Eigeninitiative.

 

3. Wissensdurst haben

Menschen, die für Kommunikation brennen, interessieren sich für jegliche Form von Darstellung – ob das Design-, Kunst-, Mode-, Musik-Geschichte etc. ist. Sie sind empathisch, haben ein Gespür für Zeitgeist und können Qualität von Durchschnitt unterscheiden.

 

4. Sich als Kommunikations-“Gestalter” verstehen, nicht als Handwerker

Die Werkzeuge, die benutzt werden, spielen überhaupt keine Rolle. Bei Textern ist das viel klarer, als bei denen, die sich auf Art spezialisieren wollen. Die sind oft geleitet von Effekten, die bestimmte Software oder Werkzeuge ermöglichen, fixiert auf technische Aspekte der Exekution. Darum geht es aber nicht. Konzeption und Exekution sind getrennte Baustellen. Eine Scheißidee wird in 3D auch nicht besser. Es geht im Prinzip darum konzeptionelle Probleme zu lösen, bildlich wie textlich. Beim Ideenentwickeln muss das Interesse liegen.

 

Was hat der ADC für dich als Student bedeutet?

Für mich war ein Nagel beim ADC die höchste Auszeichnung, die man als Kommunikationsdesigner in Deutschland bekommen kann.
Ich hab die Sushi Bücher gesammelt, aber selbst nie eingereicht. Das hatte damals mit einer Mischung aus Kosten, Zweifeln an der Qualität der eigenen Arbeiten und Zweifeln am Auswahlprozess zu tun.

Awardshows sind heute ein Business geworden und manche sind wirklich fragwürdige Events mit fragwürdigen Jurys und dementsprechend fragwürdiger Qualität. Genau wie für Kunstbücher, die einem mit dem Anschreiben: “You are choosen for our superimportant Art-compendium” Seiten verkaufen wollen, bekommt man heute dauernd vom SoundSo-Award den Tip, mal seine Sachen einzureichen. Dieses Überangebot verwässert die Anerkennung, die echten Auszeichnungen von unabhängigen Jurys gebührt.

 

Der ADC ist als e. V. nicht gewinnorientiert. Macht das einen Nagel zu gewinnen für dich bedeutsamer?

Finanzielle Unabhängigkeit ist die erste Voraussetzung für eine ehrliche Bewertung. Wenn dann noch sichergestellt ist, dass keine politischen Entscheidungen getroffen werden, ist das top.

Ist dein Job gleichzeitig dein Hobby oder womit verbringst du deine Freizeit?

Ich kann mich glücklich schätzen von meiner Leidenschaft leben zu können, da kann man schwer die Grenzen ziehen. Gestaltung prägt schon den größten Teil. Seit kurzem bin ich in einem Badmintonverein, spiele technisch echt schlecht, aber dafür mit Leidenschaft. Das ist das Wichtigste.

 

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