©Bianca Krause
9. August 2022
Interview
Night of Honour

Wahnsinnig ist der falsche Begriff. Kreativ trifft es besser.“

Er ist bekannt für fesselnde Thriller, aber auch für seine Biografie über Nina Hagen: „That´s why the Lady is a punk“. Der Schriftsteller Marcel Feige hielt bei der ADC Night of Honour 2022 die Laudatio für die Punk-Göttin und gab uns dort bereits exklusive Einblicke in die Arbeit mit ihr am Buch. Wir wollten mehr erfahren und haben ihn für ein Interview getroffen. Es geht nicht allein um Nina Hagen sondern auch um seine Inspirationen, um düstere und schaurige Städte und vieles mehr. Seine Thriller schreibt er übrigens unter dem Pseudonym Martin Krist.

Nina Hagen – facettenreich und wahnsinnig. Ein Mensch, mit dem man bestimmt viel erlebt. Welche Situationen sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Ich weiß noch, wie ich mich regelmäßig mit ihr in ihrer damaligen Wohnung draußen in Klein-Machnow getroffen habe. Dort saß ich dann auch mal auf dem Klo und plauderte munter mit ihr über ihr Leben, weil sie nicht mal eine Klotür besaß, und ich dachte: Meine Herren, Nina, die Diva, die Punk-Göttin, ist aber extremst entspannt.

Hast du persönlich ein Lieblingswerk Nina Hagens? Oder ist es gar eine ganze Epoche ihres Schaffens?

Grundsätzlich ist Ninas Schaffen einzigartig. Und wie ich bereits in meiner Laudatio erwähnte: Die Konsequenz, mit der sie die meiste Zeit ihres Lebens ihren Weg gegangen ist (und noch geht), ist bewundernswert. Das macht sie als Künstlerin ingesamt zu einem besonderen „Werk“.

Aber wenn ich mich für ein Werk entscheiden müsste: „Nina Hagen Band“, ihr Album 1978 mit den späteren Spliffern, ist schon ein ziemlich cooler Meilenstein.

In der Laudatio auf Nina Hagen berichtest du, dass sie sich in der Öffentlichkeit so zeigt, wie sie auch privat ist. Gibt es trotzdem eine Seite von ihr, die dich überrascht hat und die du besonders wertschätzt – vielleicht abseits des Wahnsinnigen?

„Wahnsinnig“ ist der falsche Begriff. Kreativ trifft es besser, auch wenn das manche anders sehen würden.

Erstaunlich ist, da kann ich mich nur wiederholen, dass sie sich selbst zu jeder Zeit treu geblieben ist, und dass dabei Erfolg und möglicher Wohlstand nie eine große Rolle für sie spielten. Wichtiger war ihr die Freiheit.

Meine Herren, Nina, die Diva, die Punk-Göttin, ist aber extremst entspannt.

Seit „That´s why the Lady is a punk“ sind mittlerweile fast zwei Jahrzehnte vergangen. Habt ihr noch Kontakt oder reist du ihr als Fanboy ab und an hinterher?

Weder noch. Am Ende war es so: Auch wenn ich tief in Ninas Werdegang eingetaucht bin und ihr Leben irgendwann vermutlich besser kannte als sie selbst – die Biografie war eine reine Auftragsarbeit.

Dein Traum war es immer, Thriller zu schreiben. Genau das tust du jetzt. Warum macht dir dieses Genre soviel Spaß? Schlummert ganz tief in dir ein Teufel ;)?

Seit ich lesen und schreiben kann, ist es mein Traum gewesen, mit spannenden Geschichten Leser:innen nächtelang fesseln zu können, wie Agatha Christie und Stephen King – als Teenager meine großen, literarischen Vorbilder.

Natürlich will ich mit meinen Krimis und Thrillern nicht nur unterhalten. Gute Krimis und Thriller spiegeln das wahre Leben, unseren Alltag, unsere Gesellschaft und auch deren Schieflage. Deshalb legt Kommissar Kalkbrenner, die Hauptfigur meiner erfolgreichsten Thriller-Serie, in jedem seiner Romane die Finger in gesellschaftliche Wunden.

Im neuesten Buch „Wunderland“ geht es um einen Fall des Kommissars Kalkbrenner, der einem Albtraum ähnelt. Woher kamen die Inspirationen für dieses Werk und was hat es mit den „wahren Begebenheiten“ auf sich?

In erster Linie ist „Wunderland“ Fiktion. Jede Fiktion enthält aber ein Stück Wahrheit. Tatsächlich hat es eine Vielzahl an Personen und Ereignissen, über die ich in „Wunderland“ erzähle, wirklich gegeben. Nur habe ich die Namen der Personen und der Orte aus guten Gründen geändert.

Wie ich auf die Idee zu „Wunderland“ gekommen bin? Gute Frage. Irgendwann lag die Idee für den neuen Kalkbrenner-Fall vor meinen Füßen: der Missbrauch in der katholischen Kirche. Mir war klar, dass das Thema sein wird. Der Rest war Recherche.

Seit ich lesen und schreiben kann, ist es mein Traum gewesen, mit spannenden Geschichten Leser:innen nächtelang zu fesseln.

Die Stadt Berlin, in der du wohnst, ist mindestens so vielschichtig, wie die Menschen und Themen, über die du schreibst. Welches sind die Orte oder Kieze, die du liebst und die dich inspirieren?

Am liebsten halte ich mich mit Hund und Kind im Treptower Park auf, eine grüne Oase mitten in der Stadt. Sehr entspannend. Inspirierend dagegen ist ganz Berlin. Hier liegen die Themen für gute Thriller quasi auf der Straße.

Der Plot deiner Bücher spielt zumeist in Großstädten, wie Berlin und New York. Wenn man entlang der Geschichten eine komplett neue Landkarte bauen würde, würde sich nach und nach eine Stadt zusammenfügen – eine düstere und schaurige Stadt. Wie würdest du sie benennen?

(lacht) Gotham City.

Welchen Ort in Gotham City würdest du besuchen, wenn du eine einzige Taxifahrt frei hättest und warum?

Das Polizeirevier, weil sich dort alles trifft – sowohl die Helden als auch die Bösewichter, früher oder später.

Gute Krimis und Thriller spiegeln das wahre Leben, unseren Alltag, unsere Gesellschaft und auch deren Schieflage.

Was macht deinen Schreibstil aus – in 5 Schlagwörtern.

Temporeich. Hart. Realistisch. Spannend. Über das fünfte Schlagwort dürfen die Leser:innen selbst entscheiden.

Taugt die Welt der Kreativen als Thema für ein neues Buch?

Absolut. Kommissar Kalkbrenner musste bereits in „Mordskalt“ im Umfeld einer Werbeagentur ermitteln, und auch David Gross, meine zweite Serienfigur, ein Privatermittler, bekam es in „Drecksspiel“ mit Kreativen zu tun. Der Buchtitel ist übrigens Programm.

 

Bild: Bianca Krause

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