Foto: Roman Raake
17. Oktober 2019

Sabine Georg, MASE, zum ADC     Hochschulranking

Die Miami Ad School holt dieses Jahr im ADC Kreativranking der Fach-und Hochschulen den Titel nach Hamburg zurück. Demnach bildet sie u.a. den kreativsten Nachwuchs hierzulande aus. Sabine Georg, seit Juni 2019 neue Geschäftsführerin der Miami Ad School Europe, erklärt warum wir das Kreativranking für die Nachwuchsförderung brauchen und welche Erfolgsstrategie die Schule verfolgt.

Du hast seit einigen Monaten die Leitung der Miami Ad School Europe von Niklas Frings-Rupp übernommen. Was war deine Motivation?

Ich habe ursprünglich mal an der Hochschule der bildende Künste hier in Hamburg, um die Ecke vom Kunst- und Mediencampus, studiert. Und war als „Trained Artist“ ein bisschen der Exot bei Google. Als ich mich nach vielen sehr erfüllten Jahren bei Google entschieden habe, mich beruflich zu verändern, war mir klar, dass ich „back to the roots“ wollte: dichter ran an Kreativität und auch direkter ran an Kreative. Denn obwohl ich bei Google die letzten sechs Jahre als Creative Agency Manager tätig war, war das doch sehr Media lastig.

Und ich hatte Sehnsucht nach direkteren, kreativen Prozessen. Außerdem hatte ich schon jahrelang als Dozentin an der Miami Ad School Europe gearbeitet, und wusste immer, wie befriedigend ich die Arbeit mit den Schülern fand. Und wie sehr ich die Vibes dort mochte – toller Ort mit tollen Menschen = starke Motivation!

Du warst 13 Jahre als Managerin bei Google tätig und hast Agenturen bei der Entwicklung digitaler Kampagnen beraten. Welche Kriterien muss heute eine Kampagne erfüllen?

Bei Google habe ich gelernt, dass einzig und allein zählt, welche Relevanz eine Kampagne bei uns, den Nutzern, bzw Zuschauern, Konsumenten, hat. Wenn nicht geguckt, geklickt, interagiert- und nicht zuletzt auch gekauft wird, ist es keine gute Kampagne!
Relevanz, Effektivität, all diese – ich sage – mal „vernünftigen“ Metriken zählen. Die messbare Werbewirkung sollte gegeben sein. Genauso sollte die Kampagne aber auf die – tja „unvernünftigen“ Werte einzahlen und die Herzen erreichen. Man sollte auch emotional reagieren – lachen, weinen, bewegt sein durch eine Kampagne.

Außerdem wird es immer wichtiger, dass eine Kampagne mehr transportiert als eine „Kauf mich“ Produktbotschaft: Purpose driven advertising ist gerade so ein Buzzword. Aber ich merke jeden Tag an unseren Studenten, wie wichtig es ist, dass Marken mehr wollen, als eine Pole Position im Verkaufsregal. Die jungen Talente schauen noch mal ganz anders auf Marken und welche Werte sie vermitteln. Und klar – Marken müssen dort präsent sein, wo die Zielgruppe ist. YouTube, TikTok oder Instagram, hier muss man dran sein und wissen, wie man Kanäle effektiv bespielt!

Die Miami Ad School Europe ist immer vorne mit dabei, wenn es um den kreativen Nachwuchs und deren Arbeiten geht. Was ist ihr Erfolgsrezept?

Die Schule hat eine lange Historie als Idea – and Portfolio School, und ist immer am Ball gelieben, wenn es darum ging, Kontakte aus der Industrie zu pflegen: Wir haben ein weitgespanntes, starkes Netzwerk an Kreativen, die häufig sogar an der Miami Ad School studiert haben. Unser „Alumni Club“ hat viele der großen Namen, und wir können auf zahlreiche, loyale Ex-Schüler zugreifen – als Lehrer, als Mentoren oder einfach als Freunde oder Berater der Schule. Das hilft. Nicht zuletzt bei der Akquise neuer Schüler. Diese kommen von überall her zu uns. Auch das ist ein wichtiger (Erfolgs)Faktor, denn unsere – buchstäblich – bunte Studentenschaft bringt auf kleiner Fläche (wir nehmen ja nur maximal 15 Studenten pro Quartal und Klasse auf) einen großen Kosmos hervor.

Wir haben eine sehr internationale, multikulturelle Gruppe am Start, und entsprechend stark ist die kreative Power!

Last but not least, ist der Lehrplan sehr an der Praxis orientiert, und unsere Schüler trainieren ständig alle Muskel, die es braucht, um in der Welt der Cannes Lions und „permanenten Pitches“ zu bestehen!

In Class der Miami Ad School- Foto: Teresa Enhiak Nanni
In Class - Foto: Teresa Enhiak Nanni

Eine deiner Aufgaben für Studierende lautet: „Bau deine Vorstellung von Kreativität“ – und das mit Legosteinen. Was birgt sich hinter dieser Technik, die du eingeführt hast?

Die Technik habe ich nicht eingeführt, sondern nutze sie nur … also – was ich mache ist der Nachfolger für das „Soccerposter“, was traditionell, über viele Jahre die Aufgabe war, die Studierende des ersten Quartals, also „die Neuen“ unter der Anleitung von Niklas machen mussten. Als ich für Niklas übernommen habe, bat er mich, mir etwas Neues zu überlegen.

Da ich gerade frisch mein Zertifikat als „Lego Serious Play© Facilitator“ erhalten hatte, dachte ich, ich baue daraus mal etwas:
Lego Serious Play© ist eine Design Thinking Methode, mit der man – kurz gesagt – unter zuhilfenahme bestimmer, extra dafür produzierter Lego Bricks, rapid Prototyping macht und mit den Händen baut, was man denkt und fühlt.
Meine Aufgabe ist,

„Baut bitte eure Vorstellung von Kreativität“. In Lego, in wenigen Minuten.

Dann erklärt jede/r, was man gebaut hat. Regel hier: man spricht nur über etwas, was man gebaut – und sichtbar gemacht hat. Im nächsten Schritt baut die Gruppe – unter Nutzung ihrer individuellen Modelle – ein gemeinschaftliches Modell. So dass man am Ende sieht: „ah, so sieht Kreativität für die Klasse Q3/2019 aus“. Plan ist, wenn die Klasse dann in Q3/2021 ihre Graduation hat, wieder einen solchen Workshop zu machen. Und so zu vergleichen, wie sich die Vorstellung von Kreativität verändert hat.

Als Leitung stehst du im engen Kontakt zu den Lehrenden und Studierenden. Welche Learnings nimmst du für deine Arbeit mit?

Im Grunde das, was ich den Schülern rate: neugierig bleiben, offen sein für Neues, Unerwartetes. Dran bleiben. An Menschen, ihren Erwartungen, Gewohnheiten, an dem was sie sich anschauen, was sie interessiert.

Never stop learning. Never stop exploring.

Routine ist gut. Erfahrung auch. Aber tägliches Learning ist, dass man sich nicht verschließen kann- und auch nicht verschließen sollte vor Unerwartetem, vor Chaos, vor Überraschungen und vor ganz viel Wunderbarem. Man muss sich einlassen- und dazu lernen wollen, nur so kann man die Arbeit gut machen.

Ich selbst habe eine so lange berufliche Praxis, dass meine „work experience“ so alt ist wie viele unserer Schüler. Aber trotzdem kann ich von manchen dieser 20-Jährigen lernen. Und das ist toll. Umgekehrt hoffentlich auch:)

Was bedeutet für dich Kreativität?

Bei Google kamen häufig Anfragen, die mit dem „we wanna do things for the very first time“ zu tun hatten. Abgesehen von der Tatsache, dass man kaum eine Idee findet, die wirklich noch nie vorher gemacht wurde, glaube ich nicht, dass Kreativität immer auch etwas komplett Neues sein muss. Altbekanntes auf neue Weise betrachten, oder unerwartete Kombinationen finden. Visuell und intellektuell – das ist Kreativität. Das Handy weglegen. Hingucken. Entdecken. Hinhören. Gespräche führen. All das.

Aus Wenig, bzw. aus Nichts etwas schaffen, das ist Kreativität.

Kann man Kreativität erlernen? Welche Vorraussetzungen müssen Bewerber erfüllen, um an der Miami Ad School studieren zu können?

Joseph Beuys hat mal gesagt (ich hoffe, das Zitat ist richtig): „Jeder Mensch ein Künstler“. Ich denke, das ist prinzipiell richtig. Kindergärten sind voller Kreativer. Universitäten … nicht. Will sagen: man kann, bzw. man muss Kreativität wieder (er)lernen.

Bei uns kann man nicht von null lernen, sondern wir suchen nach Talenten, die beweisen, dass sie kreativ sind. Im Sinne von: originelle Ideen haben. Das muss handwerklich überhaupt nicht perfekt sein – wir haben Bewerbungen, die sind schlicht gescribbelt und technisch eher simpel, aber auch Bewerbungen mit virtuos gestalteten creative samples. Das variiert.
Gemeinsam ist allen „das gewisse Etwas“. Ebenso die Vorerfahrung: Wir haben Schüler, die direkt nach dem Abi bei uns anfangen.Und wir haben Schüler, die bereits fertig ausgebildete Architekten oder sogar Zahnärzte (!) sind.

Was ist heute für das Ausbilden von Kommunikationsdesigner*innen und Design Manager*innen wichtiger denn je?

Weil wir umgeben sind von Media & Medien, von maximalen Möglichkeiten der Zerstreuung und dem sich-Verlieren in digitaler Kommunikation, ist es heute meiner Meinung nach wichtiger denn je, einen Kern zu finden, einen Fokuspunkt zu setzen. Dieser Kern, des Fokuspunkts ist die Person und ihre Ideen, ihre Gedanken. Das muss man fördern und fordern. Handwerklich, strategisch, mental, emotional. Technologie, Plattformen, Tools und Mechaniken – das sind alles Mittel zum Zweck.

Im Zentrum steht ein Mensch und seine/ihre Möglichkeiten. Diese bestmöglich zu erweitern, ist unsere Mission.

Dazu müssen alle raus aus der Comfort Zone. Because: this is where the magic happens!

Wie sieht die Zukunft der Branche aus?

Puh, das ist immer so eine Sache mit dem Blick in die Kristallkugel… Ich persönlich glaube an den „Yin Yang Effekt“ – will sagen, irgendwann, wenn wir alle genug haben von Digital Overload und KI und AR und hastenichgesehen, wird es möglicherweise wieder sexy, offline zu sein. Nicht permanent, aber für länger als für einen kurzen Digital Detox? Vielleicht finden wir zukünftig in unserer Branche einen Weg von der Bewegtbild Überflutung zurück zur Schriftsprache? Bzw. beides existiert in ausgewogener Balance nebeneinander?

Es gibt „Bingewatching & Bingelistening“ (ich meine die Popularität von Podcasts) – vielleicht gibt es in der Zukunft auch wieder mehr „Bingewriting & Bingereading“? Ich hoffe jedenfalls, dass der DIY Trend, das Maker-Gen, dass das nicht ausstirbt. Und dass wir zukünftig mehr Nachwuchs haben, der länger als 45 sec existieren kann, ohne auf’s Handy zu schauen (war ein Experiment, welches ein Lehrer an der MASE gemacht hat). Schlussendlich hoffe ich, dass wir zu jedem Trend einen Gegentrend feststellen. Das würde mich freuen beim Blick in die Kristallkugel …

Welchen Ratschlag kannst du jungen Leuten geben, die versuchen, in der Branche Fuß zu fassen?

Ich rate, von der Attention Span eher „Bingewatcher als Goldfisch“ zu sein: Dran bleiben, hartnäckig sein, Geduld haben. Von der Attitude eben kein passiver „Watcher“, sondern ein Do’er. Aktiv sein, sich für 1000 Sachen interessieren, sich informieren, Feedback einholen.

Wach sein, Fragen stellen. Mehr Fragen stellen. Versuchen, sich einzulassen, auch auf Unbequemes.

Auch hier gilt: kreativ sein. Im Sinne von: neue Kombinationen finden, Komfortzone verlassen!

Weshalb braucht es ein Hochschulranking? Warum sollten Professoren an Kreativhochschulen ihre Studenten zur Einreichung motivieren?

Ich denke, man braucht einfach ein Sortiersystem. Das hilft, eine Orientierung zu bekommen, welche Hochschule Was anbietet und Wer in welchen Bereichen besonders gut ist. Bei uns an der MASE merkt man, wie hoch die Motivation ist, zu zeigen, was wir machen.
Und wie gut wir sind mit Awards :). Die Awards wiederum helfen, einen Marker zu setzen und die Miami Ad School Europe so zu beleuchten, dass junge Leute in der Orientierungsphase auf uns aufmerksam werden!

 

Mehr zur Miami AD School Europe:

https://www.miamiadschool.de/

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