Veit Moeller
27. Januar 2020

ADC Neumitglied Alice Bottaro im Interview

ADC Neumitglied Alice Bottaro lässt uns als Kreativdirektorin über skurrile WiFi Hunde schmunzeln oder setzt Vorbilder wie Bertha Benz in Szene. Im Interview verrät sie uns ihr Credo, spricht zu ihrem 20-jährigen Ich und packt eine imaginäre Zeitkapsel.

Du in 3 Worten?

Frei nach Sting: “Italianwoman in Berlin”.

Du bist Creative Director bei antoni für Mercedes Benz. Was liebst du an deinem Job besonders?

Den Kern einer guten Ideen zu erkennen und weiterzuentwickeln; die Teams dabei zu unterstützen, ihr ganzes Potential zu entfalten; die talentiertesten Produktionspartner zusammen zu bringen, um die Idee noch besser zu machen; und natürlich gemeinsam mit den Kunden eine Vision zu entwickeln und mutige Entscheidungen zu treffen, die dann hoffentlich die Menschen da draußen begeistern.

Und was ist dein aktuelles Lieblingsprojekt? 

Alle Projekte die beweisen, dass Werbung nicht nur eine nervige Unterbrechung, sondern auch erstklassiges Entertainment sein kann.

Wenn Agenturen hinterherhinken, schadet das dem Image der ganzen Branche.

Wie ist es als Frau für die Automobilindustrie – eine Männer dominierte Branche – zu arbeiten?

In der Kreation leider ziemlich einsam – und das noch in 2020. Meiner Erfahrung nach war die Entwicklung auf Kundenseite erfolgreicher, weil sich Konzerne schon länger und effektiver mit dem Thema beschäftigen und gezielte Policies einsetzen. Wenn Agenturen hinterherhinken, schadet das dem Image der ganzen Branche. Denn wie kann man Kunden beraten, die weiter sind als man selbst? Es ist absolut notwendig, dass wir den Zeitgeist nicht nur in unseren Kampagnen, sondern auch in unseren Organisationen widerspiegeln: Davon werden alle profitieren, von den internen Dynamiken bis hin zur Qualität der Arbeiten.

Du hast die SheSays Organisation nach Berlin gebracht, in einem Film für Mercedes Benz inszenierst du Bertha Benz als Vorbild für Frauen. Das Thema Female Empowerment liegt dir also am Herzen?

Ich komme aus einer Familie mit starken, berufstätigen Frauen, das Thema ist für mich selbstverständlich. Ich investiere gerne meine Zeit dafür, dass unsere Branche sich weiter ins Positive entwickelt. Frauen fangen erst jetzt an, Netzwerke zu bilden und sich gegenseitig im Job zu unterstützen – Plattformen wie SheSays, Oh You Women! oder die Gerety Awards sind eine tolle Möglichkeit, um Verbindungen zu knüpfen und mehr Austausch zu generieren. Auch deswegen wollte ich unbedingt die Geschichte von Bertha Benz an ein breiteres Publikum bringen; weil ich selber weiß, wie oft Frauen sich nach Vorbildern sehnen.

Sony, Mercedes, eBay, die Deutsche Telekom zählen unter anderem zu deinen Kunden. Wen würdest du am liebsten zu dieser Liste hinzufügen?

Ich würde sehr gerne eine Kampagne für den Erhalt Europas machen, weil Europas Image mehr Emotionen gebrauchen könnte. Sonst etwas skurriles wie Skittles oder Gucci. Meist geht es aber nicht nur um die Marke selbst, sondern um die Menschen, die sie führen. Wenn die Beziehung zwischen Kunde und Agentur stimmt, kann man für fast jede Marke gute Arbeit machen.

Ich bin ein kultureller Allesfresser.

In deiner Kampagne „WiFi Dogs“ für die Telekom werden Hunde trainiert, die WLAN erschnüffeln sollen. Wie kommst du auf solche Ideen? Woher nimmst du deine Inspiration? 

Das war 2014 bei DDB. Wir hatten diesen tollen Insight von Dr. Gordon Euchler bekommen: “Menschen im Urlaub tun die absurdesten Sachen, um ans WLAN zu gelangen”. Darauf haben Veit Moeller, Jacopo Biorcio, Marc Lüdemann und ich das Konzept entwickelt. Ich finde das beste, was einem Kreativ Department passieren kann, ist es, wenn keine Idee zu doof ist, um sie mal in den Raum zu werfen… denn WiFi schnüffelnde Hunde hörten sich erstmal ziemlich doof an. Aber sie waren perfekt, um die Zielgruppe auf eine nicht beurteilenden Art über ihr Verhalten nachdenken zu lassen. Am Ende konnte die Kampagne sowohl beim ADC und in Cannes punkten, als auch beim Euro Effie den Grand Prix holen. Heute nehme ich meine Inspiration von überall: von den Kardashians bis zu obskuren Indie Filmen oder Wirtschaftsmagazinen, ich bin ein kultureller Allesfresser. Und als Anthropologin beobachte ich einfach gerne Menschen.

Was hat dich dazu bewegt Teil des ADC zu werden?

Ich war mir erst nicht sicher, ob ich zum ADC passen würde. Dann wurde ich 2018 zum Festival in Hamburg eingeladen und fand die Themen und die Atmosphäre richtig gut. Den Rest haben die Gespräche mit Britta Poetzsch und Heinrich Paravicini gemacht. Ich habe in Deutschland den Großteil meiner Karriere verbracht und freue mich sehr, Teil der heimischen Konversation über Kreativität sein zu dürfen – und auf den Austausch mit den anderen Mitgliedern.

Das aktuelle Festival Motto lautet „The Power of No – For a new Diversity of Thinking“ – wozu sagst du gerne Nein?

Zu den vielen Sachen, die unsere Arbeit nicht besser machen: Angst, Politik, Ego und Neid. Und zu sozialen Kampagnen, die nur dazu da sind, Awards zu gewinnen.

Was ist dein (kreatives) Credo?

Trust your gut.

Was würdest du deinem 20-jährigen Ich heute mit auf den Weg geben?

Dass gedehnte Ohrlöcher leider nicht wieder zusammenwachsen.

Du befüllst eine Zeitkapsel, welche 3 Gegenstände packst du ein?

Ein Buch von Yuval Noah Harari, mein Lieblingsfilm Pulp Fiction und ein iPhone mit Internetanschluss. Ich glaube,  das ist eine gute Mischung, um anderen Lebensformen zu beweisen, was für eine merkwürdige Spezies wir sind.

Zum Schluss: dein liebstes Sprichwort?

“Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut.”

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